Software-Verfügbarkeit – mit 5 Leitfragen die Qualität eines Business Systems eindeutig definieren

Wie definieren Sie Software-Verfügbarkeit? Was auf den ersten Blick banal anmutet, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als komplizierte nicht-funktionale Anforderung an eine Business Software. Dabei ist Verfügbarkeit ein Standardthema in Software-Auswahlprojekten. Fast immer wünschen sich die Fachabteilungen einhellig ein „hochverfügbares System mit keiner bzw. minimaler Ausfallzeit“. In diesem mosaiic Impuls gehen wir daher auf den Aspekt der Verfügbarkeit von Kauf-Software ein. Als Orientierungsrahmen nutzen wir dazu fünf praxiserprobte Leitfragen.

Software-Verfügbarkeit – 5 Leitfragen, die Sie den Fachabteilungen, Tool-Herstellern und Betriebsverantwortlichen stellen sollten

Wie definieren Sie Software-Verfügbarkei

Leitfrage 1: Was bedeutet eigentlich ‚verfügbar‘? Den Begriff ‚Software-Verfügbarkeit‘ bestimmen.

Antwortzeitverhalten, Datendurchsatz, Paketverzögerung, Paketverlustrate – keine Fachabteilung interessiert sich für die technischen Merkmale einer neuen Business Software. Vielmehr geht es ihr um die Verfügbarkeit (engl. Availability) der vom Tool bereitgestellten Services. Dabei ist Verfügbarkeit nicht gleich Verfügbarkeit. Tatsächlich ist der Begriff abhängig vom fachlichen Kontext. Dazu ein kleines Beispiel:

Im Falle eines Onlineshops betrachtet ein Nutzer die Ladezeit einer Webseite < 0,5 Sekunden als ausreichend verfügbar. Hingegen gilt ein Airbag-Steuergerät in einem Fahrzeug als nicht verfügbar, falls es für die Auswertung eines Auffahrsignals 0,5 oder mehr Sekunden benötigt.

Fragen Sie nicht nach Verfügbarkeit. Fokussieren Sie sich stattdessen auf die Facetten von verfügbarer Software. Das kann in einem Fall die Zuverlässigkeit und Reaktionszeit sein, im anderen Fall die maximale Ausfalldauer sowie die mittlere Dauer der Wiederherstellung nach einem Ausfall.

  • Was bedeutet im fachlichen Kontext Verfügbarkeit für eine Software und ihre Services?
  • Welche Service-Aspekte aus Nutzersicht sind relevant?
  • Woran merken wir, dass der Service einer Software in hoher Qualität verfügbar ist?

Versetzen Sie sich in Ihren Kunden bzw. dessen Endkunden. In Zeiten von ‚Always on‘ sind es Nutzer gewohnt, dass ein Service immer – und im Falle von Websoftware – (fast) überall zur Verfügung steht.

2018 begleiteten wir einem Automobilhersteller in der Auswahl eines Programm-Bereitstellungs-Tools. Die Fachbereiche wollten das System zum Hochladen und Verteilen von Programmen samt Dokumentation zur Steuergerätentwicklung nutzen. Den Fachbereich war es wichtig, dass sie innerhalb von 2 Minuten ein Steuergerät-Programm hochladen bzw. ein externer Dienstleister diese herunterladen konnte. Die Ladezeiten auf einer Webseite basierenden Services sollte mit kommerziellen Cloud Diensten wie Dropbox oder OneDrive vergleichbar sein.

Leitfrage 2: Ist das wirklich ein Ausfall? Den Begriff ‚Ausfall‘ definieren.

Auch für eine perfekt entwickelte und betriebene Business Software wird früher oder später der Moment kommen: das System streikt. Sie und Ihre Kollegen können keinen der Services mehr nutzen. Hersteller und Betreiber wissen das und sprechen Ihnen vertraglich eine Verfügbarkeit von unter 100 Prozent zu. Typische Angaben sind dann 99,5 Prozent Verfügbarkeit oder 99,2 Prozent Uptime.

Besitzt eine Business Software beispielsweise 99,3 Prozent Verfügbarkeit bei einer zugesagten 7/24 Nutzung, so sind das etwas mehr als 5 Stunden Ausfall pro Monat. In vielen geschäftlichen Fällen ist dieser Wert akzeptabel, insbesondere falls die Fachabteilungen das System nur zwischen 8 bis 18 Uhr von Montag bis Freitag nutzen. Doch reichen diese Angaben?

Als Gegenstück zur Verfügbarkeit, sollten Sie auch den Begriff ‚Ausfall‘ konkretisieren. Nützlich hierfür sind die folgenden Fragen:

  • Was ist ein Ausfall und wie lange bzw. wie oft tritt dieser auf?
  • Wann wird die Software wie lange gewartet (Wartungsfenster)?
  • Welche Daten gehen bei einem Ausfall verloren (maximaler Datenverlust)?

Präzisieren Sie, was der Hersteller bzw. Betreiber unter Ausfall versteht. Je mehr Softwaresysteme und Personen zur Erbringung einen Service interagieren, desto höher die Ausfallwahrscheinlichkeit. Diese ist das Produkt aus den Ausfallwahrscheinlichkeiten der einzelnen Service Komponenten.

Um einen Ausfall in geschäftskritischen Perioden vorzubeugen, können Sie sogenannte ‚Frozen-Zone‘ Zeiträume festlegen. In dieser darf der Hersteller bzw. Betreiber keine Änderungen an der eingesetzten Soft- oder Hardware vornehmen, beispielsweise in Form von Konfigurationen, Updates, Upgrades oder Umbauten. Das Ziel ist die Senkung der Ausfallwahrscheinlichkeit.

Im Beispiel des Programm-Bereitstellungs-Tools einigten sich die Fachbereiche auf folgende Anforderung an das Ausfallverhalten:

Die Software fällt maximal 2 Minuten am Stück, maximal 2x pro Stunde und 5x am Tag aus. Die Wartung erfolgt am letzten Sonntag im Monat zwischen 12 bis 18 Uhr. Das System durfte bei einem Ausfall keine Programme bzw. Dokumentationen verlieren.

Diese Beschreibung ist technisch spezifischer und fachlich wertvoller als die initial artikulierten 99,3 Prozent Verfügbarkeit.

Leitfrage 3: Ein Ausfall, und dann? Die Auswirkungen bestimmen.

Befassen Sie sich anschließend mit den Auswirkungen einer Nicht-Verfügbarkeit der neuen Software. Betrachten Sie sowohl Normal- als auch Hochzeiten in Ihrem Business. Für einen Onlineshop wäre das in der Regel die Weihnachtszeit, bei einer Bank üblicherweise das Jahresendgeschäft. Hilfreiche Fragen hierfür:

  • Wie viel Umsatz geht uns bei einem Ausfall pro Woche, Tag, Stunde, etc. verloren?
  • Mit welchem Mehraufwand müssen wir die Nicht-Verfügbarkeit während und nach dem Ausfall kompensieren?
  • Welche Verträge mit Kunden und Partnern verletzen wir, falls das System stillsteht?

Nicht alle Konsequenzen lassen sich 1:1 in zusätzlicher Arbeitszeit bzw. Geldverlust umrechnen. Wir nutzen bei qualitativen Größen wie beispielsweise Reputation, Markenwert oder Image eine 5-stufige Skala, die von ‚keinerlei Auswirkung‘ bis ‚sehr hohe Auswirkung‘ reicht.

Oft bieten Softwareprogramme mehrere Services. Nur selten sind dabei alle Service gleichwichtig. Am besten Sie zerlegen das Tool, bewerten den Ausfall einer Teilfunktion und priorisieren den Vorfall.

Im Beispiel des Programm-Bereitstellungs-Tools konnte der Fachbereich auf eine 7/24-Verfügbarkeit der Download-Analytics-Funktion verzichten. Das Hoch-/ und Runterladen von neuen Steuergerät-Programmen und -dokumentationen sollte hingegen mit einer Verfügbarkeit von 99,5 % an allen bayrischen Arbeitstagen sichergestellt sein.

Leitfrage 4: Wie die Verfügbarkeit kontrollieren? Das Messverfahren festlegen.

Die Verfügbarkeit steht für die Wahrscheinlichkeit oder das Maß, mit der eine Software bestimmte Anforderungen zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. innerhalb eines vereinbarten Zeitrahmens erfüllt. Es gilt die Formel:

Verfügbarkeit = (Gesamtzeit – Ausfallzeit) / Gesamtzeit.

Liegt die Verfügbarkeit eines Onlinebanking Services beispielsweise bei 99 Prozent, so ist dieser von 100 Stunden insgesamt 99 Stunden ohne Einschränkungen nutzbar.

Soweit die Theorie. In der Praxis messen Sie die Verfügbarkeit eines Softwaresystems mittels technischer Monitoringsysteme. Diese prüfen in einem Intervall die Verfügbarkeit des Services. Eine Messung ist jedoch immer eine Momentaufnahme. Damit stellen sich mehrere Fragen.

  • In welchem Intervall messen wir die Verfügbarkeit eines Software Services (z.B. 10-Minuten, 5-Minuten)? Wie gehen wir mit den Zeiten zwischen den Messungen um?
  • Was sind unsere Messpunkte (z.B. Rechenzentrum, Terminal in Niederlassung, Laptop des Außendienstlers irgendwo in Deutschland)?
  • Wieviel lassen wir uns Messung & Auswertung kosten?

Fakt ist: den Fachbereichen sind technische Details wie Messintervalle, Messpunkte oder Montoring-Einrichtungen egal. Für sie zählt einzig und allein die Zusicherung der Verfügbarkeit der von der Software erbrachten Services. Leiten Sie von dieser sowie den Auswirkungen technisch messbare und wirtschaftlich sinnvolle Kennzahlen ab. Und definieren sich anschließend Messverfahren und Messpunkte.

Für das Programm-Bereitstellungs-Tool schlug die IT eine Messung direkt im eigenen Rechenzentrum in einer Frequenz von 5 Minuten vor. Da die Software zunächst nur in Deutschland in der Zentrale zum Einsatz kommen sollte und bereits ein erprobtes Messverfahren für andere Systeme existieren, war dies ein kostengünstiger und direkt umzusetzender Messansatz.

Leitfrage 5: Wer zahlt für einen Ausfall? Die Sanktionen vertraglich fixieren.

Mit dem Wissen über die Auswirkungen beurteilen Sie anschließend die vom Softwarehersteller bzw. -betreiber vorgeschlagenen Sanktionen. Das sind die Vertragsstrafe, die ein Hersteller bzw. Betreiber zahlt, falls er den Ausfall der Software und der mit ihr verbundenen Services zu verantworten hat. Bewerten Sie diese sogenannten Pönalen genau.

  • Wie wird die Ausfallzeit definiert? Beispielsweise Kumulativ vs. hintereinander, im rollenden Zeitfenster von 30 Tagen vs. pro Kalendermonat?
  • In welchem Maß wiegt die versprochene Kompensation das Schadensaumaß bei Ihnen auf?
  • Wie versuchen Hersteller bzw. Betreiber ihre Haftung zu begrenzen?

Im Falle des Programm-Bereitstellungs-Tools stattete der betreibende Hersteller 5 Prozent der Abrechnungskosten zurück, falls seine Applikation im Monat 1 Stunde hintereinander ausfiel. Wiederum 100 Prozent der Abrechnungskosten waren fällig, falls die Software und Ihre Services 18 Stunden im Monat am Stück ausfallen würden.

Fazit

„Die neue Software muss verfügbar sein“ – diese Anforderung steht bei Software-Auswahlprojekten fast immer direkt im ersten Meeting Raum. Falls Sie Glück haben, unterfüttern die Fachabteilungen diesen Bedarf noch mit dem quantitativen Zusatz „99,5 Prozent Software-Verfügbarkeit“. Das Problem: diese Angaben greifen zu kurz. Nähern Sie sich dem Thema Verfügbarkeit effektiver und nutzen Sie dazu die 5 vorgestellten Leitfragen.

Sie haben Fragen zum Thema Software Verfügbarkeit und möchten das Thema weiter vertiefen? Kontaktieren Sie uns für weitere Fragen. Wie freuen uns auf die Diskussionen.

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