Stretch Goals – als Unternehmen nach den Sternen greifen

Nutzen Sie noch die Webdienste von Yahoo.com? Als Marissa Mayer 2012 CEO des Hightec-Unternehmens wurde, trat sie mit dem Ziel an, Yahoo wieder unter die Big Four der Internetriesen zu katapultieren. Eine einstige Ikone sollte erneut in altem Glanz erstrahlen. Mayer definierte acht kaum erreichbare Ziele, sogenannte Stretch Goals. Fünf Jahre später im Sommer 2017 fällt die Bilanz ernüchternd aus – 6 der 8 ehrgeizigen Vorgaben sind nicht erfüllt. Das Webgeschäft von Yahoo geht an den Telekommunikationskonzern Verizon, Marissa Mayer darf ihren Hut nehmen. Dabei ist das Konzept der Stretch Goals für einige Unternehmen durchaus sinnvoll.

Was Stretch Goals sind

Die drei US-Professoren Sim B. Sitkin, C. Chet Miller und Kelly E. See definieren Stretch Goals als hochgradig ambitionierte Unternehmensziele (siehe Harvard Business Manager 04/2017. Wirtschaftliche Absichten, welche die aktuellen Fähigkeiten, Vorgehensweisen und Kenntnisse einer Organisation um Längen übersteigt. Bildlich ausgedrückt: der Griff nach den Sternen.

Strech Goals lassen sich für Unternehmen, Bereiche, Abteilungen und Einzelpersonen definieren. Dabei unterscheidet sich ein Stretch Goal in zwei Aspekten gegenüber einem gewöhnlichen Ziel:

  • Schwierigkeitsgrad: Ein Stretch Goal ist mit radikalen Erwartungen verbunden, übersteigt den aktuellen Leistungsgrad um ein Vielfaches.
  • Erreichbarkeit: Ein Stretch Goal lässt sich nur auf eine alternative Art und Weise unter Anwendung neuer Mittel erreichen. Nicht schneller und härter, sondern anders führt zum Ziel.

Beispielsweise beabsichtigte die Fluggesellschaft Southwest Airlines die Parkzeit ihrer Flugzeuge von den branchenweiten 60 Minuten auf 10 Minuten zu senken (Schwierigkeitsgrad). Mit den üblichen Optimierungskonzepten war dies jedoch nicht möglich (Erreichbarkeit). Stattdessen mussten die internen Arbeitsabläufe vollständig umgestaltet und das Verhalten der Fluggäste neu ausgerichtet werden.

Wer Stretch Goals einsetzt

Viele Unternehmen sehen in Stretch Goals eine wichtige Motivations- und Erfolgsquelle, einen Baustein für langfristigen und herausragenden Erfolg. Von der Silicon Valley Holding Alphabet und der Tochter Google sind Ihnen vielleicht die Moonshot-Projekte  bekannt. Bewusst sind die Ziele in diesen Vorhaben gewagt, oft sogar überambitioniert gesetzt. Buchstäblich möchten die Akteure eine Mondrakete starten, dass All erobern. Alphabet verspricht sich mit seinen Moonshots die besten Mitarbeiter anzuziehen und die spannendsten Arbeitsumgebungen zu schaffen.

Auch bei Firmen wie Apple, 3M, Boing, Tesla oder eben Yahoo nutzen das Instrument der illusorisch wirkenden Ziele um ihre Mitarbeiter, Abteilungen sowie die gesamte Organisation zu Höchstleistungen anzutreiben. Die Forschungsergebnisse der drei Wissenschaftler Sitkin, Miller und See zeigt jedoch, dass Stretch Goals selten zum Erfolg führen. Eher das Gegenteil ist der Fall: Unternehmen scheitern an ihren ehrgeizig formulierten Absichten.

  • Der Einzelhandelskonzern Walmart versagte bei seinem 2005 gesteckten Ziel, 100 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen.
  • Der Autobauer Tesla verfehlte zwischen 2012-2017 laut dem Wall Street Journal über 20 seiner selbst auferlegten Stretch Goals.
  • Der Internetpionier Yahoo scheitert seit 2012 damit, an seinem einstigen Erfolgskurs anzuknüpfen und pro Jahr im zweistelligen Prozentbereich zu wachsen.

Doch wann sollte ein Unternehmen das Mittel der Stretch Goals in Betracht ziehen? Anders ausgedrückt: in welcher Situation lohnt der Griff nach den Sternen?

Wann Stretch Goals sinnvoll sind

Professoren Sim B. Sitkin und seine beiden Kollegen sind sich sicher: Stretch Goals wirken bei Unternehmen, die aktuell erfolgreich sind und ebenfalls verfügbare Ressourcen haben. Im Einzelnen:

  • Jüngere Erfolge: Das Unternehmen befindet sich auf der Erfolgsspur, ist motiviert und betrachtet neue Herausforderung als Chancen.
  • Freie Ressourcen: Dem Unternehmen stehen überschüssiges Geld, Personal, Equipment, Wissen und Erfahrung zum Ausprobieren und Testen zur Verfügung.

Auf Basis ihrer empirischer Forschung entwickelten die US-Wissenschaftler den in nachfolgender Abbildung illustrierten Entscheidungsbaum.

  1. Feiern Sie jüngere Unternehmenserfolge und verfügen Sie über freie Ressourcen, sind Sie der perfekte Kandidat für ein Stretch Goal.
  2. Sind Sie zwar erfolgreich, haben aber keine freien Ressourcen, sollten Sie statt Stretch Goals eher schrittweise optimieren. Kleine Erfolge sind das bessere Ziel.
  3. Befindet sich Ihr Unternehmen eher in einem schwierigen Zustand, besitzen Sie jedoch freie Ressourcen, fahren Sie besser mit einer Serie von Experimenten. Viele werden schiefgehen, einige jedoch das Fundament Ihres zukünftigen Erfolges bilden.
  4. Haben Sie im Unternehmen weder Erfolg noch Ressourcen sollten Sie ebenfalls den Weg der kleinen Erfolge wählen. Stretch Goals sind hier kontraproduktiv.

Fazit

Auch wenn Sie durch Internetriesen wie Apple und Google in den vergangenen Jahren etwas in Mode gekommen sind: Stretch Goals eigenen sich nach dem aktuellen Erkenntnisstand nur, wenn Ihr Unternehmen erfolgreich ist und über freie Mittel verfügt. In allen anderen Fällen, führen die utopischen Ziele oft zu Enttäuschung, Frustration und wirtschaftlichen Misserfolg. Hochleistung und Entwicklungsschübe lassen sich auch durch viele kleine, strategisch logisch durchdachte Einzelschritte erreichen.

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